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Gewährleistungs­recht neu – Was es Verbrauchern bringt und von Unternehmern verlangt

Auf Ebene der Europäischen Union wurden zwei Richtlinien erlassen, die in den Mitgliedstaaten – und somit auch in Österreich – einer Umsetzung bedürfen. Zu diesem Zweck soll in Österreich ab 01.01.2022 das Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz (kurz: GRUG) in Kraft treten, welches Änderungen des bestehenden österreichischen Gewährleistungsrechts zur Folge hat.

Die Regierungsvorlage des geplanten Gesetzes, die am 07.07.2021 in der Plenarsitzung des Nationalrates bereits angenommen wurde, sieht unter anderem folgende Änderungen vor:

  • Einführung eines neuen Bundesgesetzes über die Gewährleistung bei Verbraucherverträgen über Waren oder digitale Leistungen (Verbrauchergewährleistungsgesetzes; kurz: VGG)
  • Änderungen der die Gewährleistung betreffenden Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (kurz: ABGB)
  • Änderungen des Konsumentenschutzgesetzes (kurz: KSchG)

Diese Änderungen, die untenstehend näher dargestellt werden, sollen für Verträge gelten, die ab dem 01.01.2022 abgeschlossen werden. Unternehmen, die vom neuen Gewährleistungsrecht erfasste Waren und Dienstleistungen anbieten, müssen daher ihre Vertragsbedingungen und Webseiten rechtzeitig an die neuen Regeln anpassen.

Bitte beachten Sie, dass aktuell nur eine, wenn auch vom Nationalrat angenommene, Regierungsvorlage existiert. Nach Verlautbarung des endgültigen Gesetzestextes werden wir daher auch diesen Beitrag aktualisieren.

  1. Das neue Verbrauchergewährleistungsgesetz – VGG:
  • Anwendung auf Verträge über den Kauf von Waren, einschließlich Werklieferungsverträge, und Verträge über die Bereitstellung von digitalen Inhalten und Dienstleistungen, einschließlich fortdauernden Softwareüberlassungen, im B2C-Bereich;
  • In den Anwendungsbereich des VGG fallen nunmehr auch Verträge im Rahmen derer, Verbraucher ihre personenbezogenen Daten als Gegenleistung zur Verfügung stellen, es sei denn diese werden ausschließlich für die Bereitstellung der Leistungen oder zur Erfüllung rechtlicher Anforderungen verarbeitet;
  • Die Gewährleistungsfrist für digitale Leistungen beträgt (wie auch bislang für bewegliche Sachen im Allgemeinen) 2 Jahre ab Übergabe;
  • Im Gegensatz zur bisher (und auch weiterhin) im ABGB normierten 6-monatigen Vermutungsfrist, sieht das VGG vor, dass bei Mängeln, die innerhalb 1 Jahres ab Übergabe auftreten, die Vermutung gilt, diese Mängel haben bereits im Zeitpunkt der Übergabe vorgelegen, sofern der Unternehmer nicht das Gegenteil beweisen kann. Bei fortlaufenden digitalen Leistungen trifft die Beweislast für die Mängelfreiheit bzw. Vertragsmäßigkeit während des gesamten Bereitstellungszeitraums den Bereitsteller;
  • Einführung einer Aktualisierungspflicht (Pflicht zur Bereitstellung von Updates, die für die fortdauernde Mängelfreiheit bzw. Vertragsmäßigkeit erforderlich sind) in Bezug auf digitale Leistungen und Waren mit digitalen Elementen (zB Smartphones), die auch im B2B-Bereich zur Anwendung gelangt. Die Aktualisierungspflicht kann ausgeschlossen werden, wenn der Verbraucher dem bei Vertragsabschluss ausdrücklich und gesondert zustimmt, nachdem ihm dies zuvor „eigens“ zur Kenntnis gebracht wurde;
  • Zusätzlich zur schon bislang bestehenden Haftung für vertraglich vereinbarte Eigenschaften und die sachgemäße Montage, Installation oder Integration, trifft den Unternehmer nach dem VGG nunmehr auch eine Haftung für die objektiv erforderlichen (üblichen bzw. aufgrund von Proben, Muster oder Testversionen erwartbaren) Eigenschaften, es sei denn der Verbraucher hat bei Vertragsabschluss ausdrücklich und gesondert einer abweichenden Regelung zugestimmt, die ihm zuvor „eigens“ zur Kenntnis gebracht wurde;
  • Alle Gewährleistungsbehelfe (primär: Verbesserung und Austausch; sekundär: Preisminderung und Vertragsauflösung (früher: Wandlung) können von Verbrauchern nunmehr außergerichtlich durch formfreie Erklärung geltend gemacht
  • Nach Ablauf der Gewährleistungsfrist sieht das VGG eine zusätzliche 3-monatige Verjährungsfrist vor, innerhalb welcher ein Mangel geltend gemacht werden kann;
  • Der Unternehmer ist berechtigt, die Rückzahlung des Kaufpreises im Falle einer Vertragsauflösung solange zu verweigern, bis er die Ware retour bzw. einen Nachweis über die Rücksendung erhalten hat;
  • Vertragsänderungsrecht des Bereitstellers bei fortlaufenden digitalen Leistungen aus triftigem Grund, wenn eine solche Änderungsmöglichkeit und triftige Gründe dafür im Vertrag vorgesehen sind, wobei dadurch keine zusätzliche Kostenbelastung für den Verbraucher entstehen darf und dieser den Vertrag kostenfrei auflösen können muss, wenn sein Zugang oder seine Nutzung durch die Änderung mehr als geringfügig beeinträchtigt werden;
  • Eine Abweichung von den Regelungen des VGG zum Nachteil des Verbrauchers ist grundsätzlich unwirksam (relativ zwingendes Recht). Vereinbarungen, die der Verbraucher erst nach Verständigung des Unternehmers von einem Mangel abschließt, sind jedoch wirksam;
  1. Änderungen des ABGB:
  • Anpassung der Terminologie an jene des VGG (zB Vertragsauflösung statt wie bisher „Wandlung“)
  • Übernahme der 3-monatigen Verjährungsfrist aus dem VGG (siehe Näheres dazu oben);
  • Änderung des gewährleistungsrechtlichen Rückgriffsrechts:
    • Beschränkung des Anspruchs auf die dem Gewährleistungspflichtigen aus dessen eigener Gewährleistungspflicht entstandenen Nachteile;
    • Ausdehnung der Verjährungsfrist für den Rückgriff auf drei Monate nach Erfüllung der eigenen Gewährleistungspflicht;
    • Möglichkeit, den Rückgriff auszuschließen oder zu beschränken, wenn dies im Einzelnen ausgehandelt wurde und für den Gewährleistungspflichtigen nicht gröblich benachteiligend ist;
  1. Änderungen des KSchG:
  • Einführung einer eigenen verbraucherrechtlichen Verzugsregelung:

Im Allgemeinen:

  • Der Verbraucher kann einen Unternehmer, der im Verzug ist, auffordern, seine Leistung innerhalb einer angemessenen Nachfrist zu erbringen und wenn dies nicht geschieht, vom Vertrag zurücktreten;
  • Bei Fixgeschäften sowie, wenn ein Unternehmer erklärt hat oder eindeutig erkennbar ist, dass er die Leistung nicht erbringen wird, kann der Verbraucher sofort vom Vertrag zurücktreten;
  • Der Unternehmer ist bei Rücktritt des Verbrauchers vom Vertrag zur unverzüglichen Rückerstattung der Zahlungen des Verbrauchers verpflichtet;

Bei der Bereitstellung digitaler Leistungen:

  • Der Verbraucher kann den Unternehmer, der im Verzug ist, ohne Fristsetzung zur Bereitstellung der Leistung auffordern;
  • Wird die Leistung nicht unverzüglich nach Aufforderung bzw. allenfalls nach einer ausdrücklich vereinbarten Nachfrist bereitgestellt hat der Verbraucher ein Rücktrittsrecht; (auch ein sofortiger Rücktritt ist wie beim „allgemeinen Verzug“ (siehe oben) möglich, in diesem Fall gelangen die Bestimmungen des VGG analog zur Anwendung);
  • Für den Verbraucher nachteilige Vereinbarungen, sind nur wirksam, wenn sie nach Verständigung des Unternehmers von einem Mangel abgeschlossen werden;
  • Einfügung eines allgemeinen Verweises auf das VGG in dessen Anwendungsbereich;
  • Änderung der Regelungen in Bezug auf vertragliche Garantien:
    • Bindung des Unternehmers an die von ihm in einer Garantieerklärung oder Werbung gemachten bzw. bekanntgemachten Zusagen; Wenn die Werbung für den Verbraucher vorteilhaftere Zusagen enthält als eine allfällige Garantieerklärung, gelten diese, sofern sie nicht vor Vertragsabschluss mit der gleichen Wahrnehmbarkeit berichtigt wurden;
    • Garantiert der Hersteller die Haltbarkeit einer Sache für einen bestimmten Zeitraum, hat der Verbraucher während dieses Zeitraums einen unmittelbaren Anspruch auf Verbesserung oder Austausch gegen ihn;
    • Die Garantierklärung muss klar und verständlich formuliert sein und einen Hinweis auf die gesetzliche Gewährleistung enthalten, sowie darauf, dass diese von der Garantie unberührt bleibt; Sie muss dem Verbraucher weiters spätestens bei Übergabe auf einem dauerhaftem Datenträge zur Verfügung gestellt werden;
  • Anpassung der Bestimmungen über eine allfällige Rechtswahl, insofern als diese ausdrücklich auch in Bezug auf die Gewährleistung und die Garantie gelten;
  • Anpassung des § 28a KSchG (betreffend einen Unterlassungsanspruch iVm einer Verbandsklage) insofern, als die Bereitstellung digitaler Leistungen und die neuen verbraucherrechtlichen Verzugsregeln auch ausdrücklich genannt werden.
  1. Wie sich Unternehmen auf die neue Gesetzeslage vorbereiten:
  • Überprüfen Sie, ob Ihr Angebot Waren oder Dienstleistungen enthält, die vom neuen Gewährleistungsrecht erfasst sind;
  • Für den Fall, dass Sie vom neuen Gewährleistungsrecht erfasste Waren oder Dienstleistungen anbieten, sollten sie Ihre AGB und allfällige Vertragsmuster überprüfen und allenfalls anpassen;
  • Auch in Hinblick auf Ihre Webseite können Änderungen im Zusammenhang mit dem neuen Gewährleistungsrecht erforderlich werden. Überprüfen Sie diese und veranlassen Sie rechtzeitig allenfalls notwendige Anpassungen.
  • Kontaktieren Sie uns, wenn Sie Unterstützung bei der Umsetzung der oben genannten Punkte benötigen. Wir helfen Ihnen gerne dabei.

Hier geht’s zur Regierungsvorlage.

Für Fragen und Unterstützung wenden Sie sich an: Árpád Geréd und Alexandra Prodan.

Stand: 30.07.2021

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