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Die Wiedereinführung der Beugehaft im Verwaltungsrecht und ihre Bedeutung für die COVID-Impfpflicht

Im Dezember 2021 im National- und Bundesrat beschlossen, am 28.02.2022 nun auch kundgemacht: Die sogenannte „Beugehaft“ im Verwaltungsrecht wurde wiedereingeführt und die entsprechende Änderung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991 („VVG“) ist mit 01.01.2022 (rückwirkend) in Kraft getreten.

Neu ist die Beugehaft im Verwaltungsrecht keineswegs. Diese gab es bereits seit Einführung des VVG im Jahr 1991. Ziel der Beugehaft ist, die Vollstreckbarkeit von Verpflichtungen zu Duldungen, Unterlassung oder unvertretbaren Handlungen (= Handlungen, die nicht durch einen Dritten vorgenommen werden können) auch dann gewährleisten zu können, wenn beispielsweise aufgrund von Vermögenslosigkeit des Verpflichteten zwar die Verhängung einer Geldstrafe als Beugemittel möglich, in der Praxis aber wirkungslos wäre. Mit Erkenntnis vom 07.10.2020 hat der Verfassungsgerichtshof („VfGH“) die Bestimmungen des VVG über die Beugehaft jedoch als verfassungswidrig aufgehoben und trat die Aufhebung mit Ablauf des 31.12.2021 in Kraft. Durch eine Änderung des VVG wurden sie nun in – so zumindest der Gesetzgeber – nunmehr rechtskonformer Ausgestaltung wiedereingeführt.

Besondere Brisanz erhielt die Wiedereinführung der Beugehaft jedoch durch das zeitliche Zusammentreffen mit der Erlassung des Impfpflichtgesetzes, welches mit 05.02.2022 in Kraft trat. Dieses Gesetz verpflichtet alle Personen, die zumindest 18 Jahre alt sind und in Österreich einen Wohnsitz haben, sich einer Schutzimpfung gegen COVID-19 zu unterziehen.

  1. Die neuen Regeln zur Beugehaft:

Der Gesetzgeber wollte mit der erfolgten Änderung des VVG den Anforderungen des VfGH an eine verfassungskonforme gesetzliche Regelung der Beugehaft entsprechen. Dazu sind einerseits eine höchstzulässige Gesamtdauer der Beugehaft von einem Jahr sowie andererseits ein „neues, erweitertes“ Rechtsschutzinstrumentarium vorgesehen. Die Verfassungskonformität soll nunmehr auch dadurch gewährleistet sein, dass die Verhältnismäßigkeit der Beugehaft nicht nur bei Androhung und Verhängung, sondern, zumindest sofern die Anhaltung länger als 4 Monate andauern soll, auch nach Ablauf von 4 Monaten und danach alle 4 Wochen zu prüfen ist.

Dabei folgt das oben genannte „neue und erweiterte“ Rechtsschutzinstrumentarium dem Vorbild der Schubhaftbeschwerde nach dem BFA-Verfahrensgesetz und stellt eine Art „Gesamtbeschwerde“ nach den Tatbeständen der Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG (iZm dem Bescheid über die Verhängung der Beugehaft) Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG (iZm einer Festnahme und/oder Anhaltung, die nicht von einem Bescheid gedeckt ist oder einen solchen überschreitet) und Art 130 Abs 2 Z 1 B-VG (iZm einer Festnahme und/oder Anhaltung als bloße Vollstreckungsmaßnahme) dar.

Darüber hinaus wurde mit der nunmehrigen VVG-Änderung auch die maximale Höhe von Geldstrafen (als Zwangsstrafen) von € 726 auf € 2.000 in jedem Fall angehoben. Hier geht’s zum aktuellen Gesetzestext (Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 – VVG idF BGBl. I Nr. 14/2022).

  1. Die Beugehaft und das COVID-19-Impflichtgesetz:

Ende 2021 sorgte nicht nur die Wiedereinführung der Beugehaft für Diskussionen, sondern auch die Ankündigung, dass Anfang 2021 eine gesetzliche Pflicht zur COVID-19-Schutzimpfung verankert werden soll. Aufgrund dessen wurde die Wiedereinführung der Beugehaft nicht von allen Seiten positiv angenommen, sondern stieß diese immer wieder – auch medienwirksam – auf Kritik. So äußerten vor allem VertreterInnen der FPÖ wiederholt „Bedenken“, dass die Beugehaft künftig insbesondere bei nicht gegen das Coronavirus geimpften Personen eingesetzt werden soll. Dem wurde von VertreterInnen der übrigen Parteien jedoch entgegengehalten, dass die Wiedereinführung der verwaltungsrechtlichen Beugehaft in keinerlei Zusammenhang mit der Einführung der COVID-19-Impfpflicht stehe, sondern es vielmehr darum ginge, die mit Ende des Jahres 2021 „ausgelaufenen“, verfassungswidrigen Bestimmungen über die Beugehaft zu „reparieren“ und zu „verbessern“. Ein entsprechender, von der FPÖ eingebrachter, Abänderungsantrag fand daher keine Mehrheit und findet sich in den neuen Regelungen zur Beugehaft demnach auch keine ausdrückliche Ausnahmeregelung in Bezug auf die Impfpflicht.

Darüber hinaus dürfe – so die VertreterInnen der übrigen Parteien – auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Beugehaft nicht dazu dient, allgemeine gesetzliche Verpflichtungen durchzusetzen. Der Einsatz der Beugehaft gegen „Impfunwillige“ sei daher bereits aus dem Grund nicht möglich, als das Gesetz über die COVID-19-Impfpflicht keine individuellen Bescheide oder Freiheitsstrafen vorsieht.

Sieht man sich das COVID-19-Impfpflichtgesetz sowie die neuen Bestimmungen des VVG in Bezug auf die Beugehaft nun näher an, so scheint es tatsächlich keine denkbare Konstellation zu geben, in welcher gegen „Impfunwillige“ eine Beugehaft verhängt werden könnte. Das Impflichtgesetz sieht nämlich tatsächlich nicht vor, dass bestimmten Personen mittels individueller Anordnung (beispielsweise durch Erlassung eines Bescheides) eine konkrete Verpflichtung auferlegt werden könnte, sich impfen zu lassen sein. Vielmehr handelt es sich eben um eine allgemeine gesetzliche Verpflichtung, wobei die wohl häufigsten denkbaren individuellen „Anordnungen“, die auf Grundlage des Impfpflichtgesetzes an konkrete Personen gerichtet sein könnten, Strafverfügungen aufgrund der Nichteinhaltung der Impfpflicht sind. Diese können aber ebenfalls keine konkrete Pflicht enthalten, dass eine bestimmte Person sich impfen lassen müsste. Durch eine derartige Strafverfügung darf dem Betroffenen vielmehr lediglich eine Geldstrafe auferlegt werden und schließt das COVID-19-Impflichtgesetz an sich, für den Fall der Nichterfüllung der Impflicht, in seinen Strafbestimmungen (§ 10) selbst die Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen bei allfälliger Uneinbringlichkeit ausdrücklich aus. Im Übrigen scheinen Entscheidungen (im weitesten Sinne) im Zusammenhang mit dem (Nicht-)bestehen von Ausnahmen von der normierten Impfpflicht die einzigen sonst denkbaren individuellen Anordnungen in diesem Zusammenhang zu sein. Auch diese könnten jedoch keine individuelle Verpflichtung zur Impfung enthalten, sondern wiederum lediglich in einer Strafverfügung resultieren, sodass auch in diesem Zusammenhang kein Raum für die Vollstreckung der Impfpflicht mittels Beugehaft bleibt.

Somit sind die Regelungen über die verwaltungsrechtliche Beugehaft nunmehr in Kraft und es bleibt abzuwarten, ob diese erneut an den VfGH herangetragen werden und die nunmehrige Ausgestaltung auch nach Ansicht des VfGH rechts- und insbesondere verfassungskonform ist. Auf das Impfpflichtgesetz hat die Wiedereinführung der Beugehaft jedenfalls keinen Einfluss, da für eine Beugehaft im Zusammenhang mit einer fehlenden Schutzimpfung gegen COVID-19 kein Raum bleibt.

Verfasst von Alexandra Prodan.

Für Fragen und Unterstützung wenden Sie sich an Árpád Geréd und Alexandra Prodan.

Stand: 02.03.2022

Disclaimer: Dieser Beitrag wurde sorgfältig recherchiert und erstellt, hat jedoch nur informativen Charakter und ersetzt in keinem Fall eine Rechtsberatung. Die Haftung für Richtigkeit und Vollständigkeit wird ausgeschlossen.

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